Welchen Weg man nach der Schule gehen möchte, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Schließlich gibt es hunderte mögliche Berufe. Mit einer ehrlichen Selbsteinschätzung geht’s los.
Handwerk oder Handel? Kfz-Werkstatt oder Kindergarten? Bank oder Pflege? Der Weg in die passende Berufsausbildung ist nicht leicht – und die Auswahl an Möglichkeiten riesig. Das kann junge Leute durchaus überfordern.
Zu Beginn der Suche nach der passenden Ausbildung sollte man sich sehr gut mit sich selbst beschäftigen – und auch ehrlich zu sich selbst sein. „Die wichtigsten Fragen sind tatsächlich: Was interessiert mich? Worüber möchte ich mehr wissen? Womit möchte ich meine Zeit verbringen?“, sagt die selbstständige Berufsberaterin Karin Wilcke. Am besten lege man eine Liste an: Was tue ich gerne? Was macht mir Spaß? Und: Worin bin ich gut?
„Es hilft auch, sich zu überlegen, wofür man gelobt wird – in der Schule, aber auch in der Freizeit, bei Hobbys oder im Freundeskreis“, so Wilcke weiter. Freue ich mich jede Woche auf den Werkunterricht und erziele dort gute Noten? Dann ist ein Handwerksberuf wie Tischler vielleicht das Richtige. Oder: Werde ich von meinen Freunden angesprochen, wenn es darum geht, Technik zu reparieren? Dann könnte ich mir die Ausbildung zum Elektroniker genauer ansehen. Engagiere ich mich ehrenamtlich im Altenheim? Könnte ich mir auch vorstellen, dort zu arbeiten? Genauso kann es aber sein, dass ich zwar gerne die Torten für Familienfeste backe, daraus aber eben nicht meinen Beruf machen möchte. „Es zeigt aber: Ich kann filigran arbeiten und bin kreativ. Auch das hilft, Berufsfelder einzugrenzen“, sagt die Berufsberaterin.
Andere befragen
„Was denkt ihr, was ich gut kann?“ Diese Frage sollte man nicht nur den Eltern, sondern auch Freunden und Verwandten stellen. Diese Außensicht kann durchaus hilfreich sein und Jobs oder Studiengänge ins Spiel bringen, die man selbst noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Hilfreich auch: Die Eltern und andere Erwachsene von ihren eigenen Jobs erzählen lassen. Und zwar nicht nur von nervenden Kollegen, sondern von dem, was sie tagtäglich tun, und welchen Weg sie bis dorthin gegangen sind. Auch interessant: Was verdienen die Eltern eigentlich? Dazu kann man auch andere Erwachsene befragen, die man gut kennt. Vielleicht ist da auch jemand dabei, dessen Job so interessant ist, dass man ihn oder sie mal begleiten kann?
Und dann kann man sich Hilfe bei Experten suchen. Eine professionelle Beratung schaut sich Fähigkeiten und Vorlieben objektiv an. Sie hat keine Vorurteile und auch keine persönlichen Interessen daran, dass der Ratsuchende beispielsweise Arzt wird, wie alle anderen in der Familie, oder Augenoptikerin, um später den Familienbetrieb zu übernehmen.
Egal, ob private Berufsberatung oder Beratung bei der Arbeitsagentur oder den Kammern: Es geht darum, einen Weg zu finden, aber auch darum, Hürden aufzuzeigen und Perspektiven zu öffnen. Oft haben die Profis Tests, mit denen man sich auf ein Berufsfeld eingrenzen kann. Die Agentur für Arbeit bietet etwa den kostenlosen Online-Berufswahltest „Check U“ an. Karin Wilcke rät dann: „Bei Tests muss man auch ehrliche Angaben machen – wer immer nur ‚Weiß nicht’ anklickt oder die eigenen Fähigkeiten über- oder unterschätzt, dem wird der Test nicht helfen können.
Nicht auf Vorurteile hören
Bei den Freundinnen ist eine kaufmännische Ausbildung angesagt, du willst aber in den Gartenbau? Die Jungs gehen alle in eine Werkstatt, du möchtest aber Erzieher werden? Sich bei der Berufswahl an den Freunden zu orientieren, ist laut Beraterin Karin Wilcke ein großer Fehler. Genauso, wie auf Vorurteile in Sachen Verdienst („Als Friseurin wirst du ganz schlecht bezahlt.“) oder Arbeitsintensität („Die Tischlerausbildung ist körperlich wahnsinnig hart.“) zu hören. „Genauso sollte man nicht nur deshalb aufs Berufskolleg gehen, weil das alle machen, wenn man eigentlich bereit ist, praktisch zu arbeiten“, sagt Wilcke.
Die Berufs- und Studienwahl erledigt man nicht mal eben nebenbei. Sie braucht ihre Zeit und womöglich mehrere Gespräche mit Beratungen. Aber: Eine einmal getroffene Entscheidung zeichnet nicht das gesamte Berufsleben vor. Weichen können immer wieder neu gestellt werden. „Das System in Deutschland ist extrem durchlässig. Ein höherer Abschluss oder ein Studium sind auch nach der Ausbildung immer noch möglich“, sagt Karin Wilcke. Mit dem Start einer Ausbildung lege man sich erst einmal für die nächsten drei Jahre fest. Aber trotzdem: „Das sollte ich aus vollem Herzen tun und mich als zuverlässig, pünktlich und gutes Teammitglied einbringen“, betont die Berufsberaterin.
Isabelle De Bortoli