Viele Jugendliche haben keine Vorstellung, wie es nach dem Schulabschluss weitergehen soll. Mit Ausprobieren und Beratung lässt sich der passende Weg in der Berufsorientierung finden.
Kurz vor dem Schulabschluss und noch keine Ahnung, wie es danach weitergehen soll? Dieses Problem haben viele Schüler. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Fast jeder Zweite im letzten Schuljahr ist noch unentschlossen, welchen Weg er oder sie einschlagen möchte. Die Gründe für die Unentschlossenheit sind vielfältig. So fühlt sich nur ein Drittel der Befragten hinsichtlich der beruflichen Orientierung gut informiert. Über die Hälfte beklagt hingegen, dass es zwar ausreichend Informationen zur Berufsorientierung gibt, man sich darin aber nicht zurechtfindet. Das Ergebnis: Jeder fünfte Schüler hat der Studie zufolge vor, zunächst ohne formale Qualifikation zu arbeiten. Unter den Schülern mit niedrigem Schulbildungsniveau ist es sogar jeder Vierte. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt daher, junge Menschen frühzeitig auf die Risiken hinzuweisen, wenn sie langfristig keine berufliche Qualifikation erwerben. Fachleute setzen deshalb verstärkt auf persönliche Begleitung.
Ausprobieren statt Grübeln
Reden hilft, ausprobieren noch mehr: Praktika, Schnuppertage, Schulprojekte oder ein Ehrenamt zeigen, wie ein Arbeitstag wirklich aussieht. „Für die berufliche Orientierung spielen niedrigschwellige Formate eine große Rolle – insbesondere Schülerbetriebspraktika“, betont ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA). Auch freiwillige Praktika während der Schulzeit sind sinnvoll. „Für junge Menschen, die die Schule beendet haben, besteht zudem die Möglichkeit von Berufsorientierungspraktika.“
Nach der Schule muss der Berufsweg nicht unbedingt sofort feststehen. So bieten beispielsweise Freiwilligendienste Zeit zum Orientieren und Ausprobieren. Junge Menschen können dabei mehr über ihre Stärken herausfinden, praktische Erfahrungen sammeln oder gegebenenfalls ihre Sprachkenntnisse verbessern. So fällt es ihnen leichter, ihre berufliche Zielplanung realistisch einzuschätzen.
Digitale Tools nicht alleine nutzen
Apps, Portale und Online-Tests können dabei helfen, Interessen einzugrenzen. Die Seite „Berufenavi.de“ und die „berufswahlapp“ des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) bündeln Infos zu Ausbildungs- und Studienwegen. Das Portal „zynd“ des BIBB geht noch weiter: Hier geben junge Ausbildungsbotschafter Einblicke in ihre Jobs, berichten von Alltag, Herausforderungen und Highlights.
Doch digitale Orientierung hat Grenzen. Aus Studien ist bekannt, dass sich Jugendliche mit der hohen Anzahl an Informationen und Möglichkeiten überfordert fühlen. „Digitale Tools können den Berufsorientierungsprozess der Jugendlichen unterstützen, sollten dabei aber immer pädagogisch begleitet und eingebunden sein“, rät das BIBB. Deshalb sollten solche Tools am besten gemeinsam mit Lehrkräften, Eltern oder Beratern genutzt werden. Die persönliche Begleitung hilft, Infos einzuordnen und daraus konkrete Schritte abzuleiten. Hilfe gibt es auch über die Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Sie unterstützt junge Menschen mit einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung, dem Berufsorientierungspraktikum und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Alle Angebote bieten jungen Menschen die Möglichkeit, in verschiedenen Berufsbereichen erste berufliche Erfahrungen zu sammeln.
Wenn der Traumjob wackelt
Manchmal ist das Berufsziel fest im Kopf – bis die Praxis zeigt, dass es doch nicht passt. Dann gilt: offenbleiben. Das BIBB empfiehlt, Berufsbilder kritisch zu prüfen und den Einfluss von Rollenklischees oder Familienerwartungen zu hinterfragen. Programme wie „Klischeefrei“ ermutigen dazu, auch untypische Wege zu gehen – ob Mädchen in Technikberufen oder Jungs in der Pflege.
Praktische Erfahrungen helfen, Wunsch und Realität abzugleichen. Begleitete Reflexion im Anschluss sorgt dafür, dass Erlebnisse nicht einfach verpuffen, sondern zu klareren Entscheidungen führen. Und wer merkt, dass es nicht passt, darf den Kurs ändern.
So unterschiedlich die Wege letztendlich auch sind: Wer neugierig bleibt, Erfahrungen sammelt und Unterstützung annimmt, hat beste Chancen, letztendlich den passenden Beruf zu finden.
Brigitte Bonder