Rund 1700 duale Studiengänge gibt es aktuell an deutschen Hochschulen – einige integrieren eine Ausbildung, andere zumindest ausgedehnte Praxiszeiten. Aber sie sind auch eine besondere Herausforderung.

Sie büffeln in Hörsälen, wälzen die Bücher, beschäftigen sich mit Theorien und Lernstrategien. Und kaum bricht der nächste Monat an, wechseln sie in die Praxis. Dann beschäftigen sie sich mit Betriebsabläufen, lernen Handgriffe, Systeme und Unternehmen kennen. Junge Menschen, die sich für ein duales Studium entscheiden, setzen auf die Kombination zwischen Theorie und Praxis und die Ausbildung an der Hochschule und im Betrieb. „Sie haben die Möglichkeit, aus zwei Welten etwas mitzubekommen“, erklärt Sigrun Nickel, Leiterin im Bereich Hochschulforschung am Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Das sei
die große Stärke des dualen Studiums.

Neben dem klassischen Hochschulstudium und der Ausbildung hat sich mit dem dualen Studium also ein weiterer Weg in das Berufsleben herauskristallisiert. Das mache deutlich, wie wichtig berufliche Orientierung, erfahrungsgeleitetes Lernen und Praxisbezug für einen erfolgreichen Einstieg in das Erwerbsleben sind, sagt Silvia Hofmann vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). „Tugenden der beruflichen Bildungen finden nun auch Eingang in die Hochschulen“, stellt sie fest.

Davon sollen Studierende wie Unternehmen profitieren. Das duale Studium setzt auf Kooperationen zwischen Praxispartnern und den Studierenden. „Deswegen ist eine enge Kopplung und Abstimmung beider Bereiche für ein erfolgreiches Studium entscheidend“, sagt Sigrun Nickel. In den meisten Fällen wird erst der Vertrag mit dem Unternehmen geschlossen, danach beginnt die Bewerbung bei der Hochschule. Während des Studiums wechselt der Ausbildungsort dann mindestens zwischen Hochschule und Betrieb – der Wechselmodus unterscheidet sich je nach Studiengang. „Das Unternehmen bekommt so hoch qualifizierte Nachwuchskräfte“, erklärt Silvia Hoffmann. Besonders außerhalb von Ballungsräumen biete das duale Studium damit auch ein zusätzliches Potenzial der Fachkräftesicherung und der Mitarbeiterbindung.

 

DIE STUDIERENDEN BEKOMMEN BEREITS EIN GEHALT

Der frühe Praxisbezug mache das duale Studium auch für die jungen Menschen besonders interessant, ergänzt sie. Vor allem dann, wenn sie nach dem Schulleben nicht ausschließlich die nächste Schulbank drücken wollen. Studierende bekommen schon während des dualen Studiums ein Gehalt. Und: Wer sich für einen ausbildungsintegrierenden Studiengang entscheidet, hat am Ende zwei Abschlüsse in der Tasche – die Ausbildung und das Studium. „In einigen Bundesländern kommt in diesem Fall dann mit der Berufsschule noch ein dritter Lernort hinzu“, weiß Sigrun Nickel. Die Prüfung der Ausbildung nimmt die Handwerkskammer ab, den zweiten Abschluss erwerben die Studierenden an der Hochschule. „Das ist eine Herausforderung“, sagt sie.

Durch ein Punktesystem sollen junge Leute vor einer Überlastung geschützt werden: An allen Lernorten muss es sogenannte Credits geben, die angerechnet werden und so einen Abschluss in der Regelstudienzeit möglich machen. „Von einem seriösen dualen Studium ist nur auszugehen, wenn aus dem Modulhandbuch des Studiengangs klar erkennbar wird, wie viele Kreditpunkte in der Hochschule, im Betrieb und gegebenenfalls auch in der Berufsschule erworben werden“, erklärt Nickel.

Etwas anderes ist das praxisintegrierende duale Studium, auf das immer öfter Hochschulen und Betriebe setzen. „Das schafft mehr Freiheit für Hochschulen und Unternehmen und ist einfacher zu händeln“, erklärt Nickel. Dann wechseln Studierende ebenfalls zwischen Modulen an der Hochschule und dem Betrieb – sie erwerben aber nicht zwei separate Abschlüsse. „Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind erfahrungsgemäß
genauso gut wie im ausbildungsintegrierenden System.“ Und meistens fällt die Regelstudienzeit mit bis zu acht Semestern kürzer aus. Wer gleichzeitig oder nacheinander zwei Abschlüsse unter dem Dach des dualen Studiums macht, muss mit bis zu zwölf Semestern rechnen.

Die Zahl der dualen Studiengänge wächst unterdessen weiter: „Das duale Studium etabliert sich als Studienprofil“, stellt Silvia Hoffmann fest. Seit dem Beginn der Datenauswertung 2004 hat sich das Angebot der dualen Studiengänge von rund 500 auf 1662 Eintragungen im Jahr 2019 mehr als verdreifacht. Die Hochschulen geben an, mit etwa 51.000 Praxispartnern
zu kooperieren. Mit den steigenden Zahlen der Studiengänge wächst auch die Vielfalt – sie reicht inzwischen von Fächern wie Betriebswirtschaft und Informatik bis zu sozialen Bereichen oder Berufen im Gesundheitswesen wie etwa für Physiotherapeuten oder Hebammen.

Zu guter Letzt, um auf die Berufsaussichten zurückzukommen: „Rund 90 Prozent der dual Studierenden werden nach dem Studienabschluss von ihrem Betrieb in ein Arbeitsverhältnis übernommen“, weiß Silvia Hofmann. Fragen genau beantworten können. Dazu passen auch einige Impulsfragen der Studienberatung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: „Arbeiten Sie gern theoretisch? Oder sind Sie eher ‚der praktische Typ‘?“ „Sind Sie bereit, für die nächsten Jahre finanziell maßgeblich von BAföG oder Ihren Eltern abhängig zu sein?“ „Können Sie sich genügend motivieren und disziplinieren, um ein Studium eigenverantwortlich zu bewältigen?“

 

WENN JA: WELCHES STUDIUM PASST ZU MIR?

Zu dieser Frage stellt die Arbeitsagentur im Internet verschiedene Instrumente zur Verfügung. Dazu gehört „Check-U“, ein Erkundungstool, um Fähigkeiten, soziale Kompetenzen, Interessen und beruflichen Vorlieben besser einschätzen zu können. Und mit den sogenannten studienfeldbezogenen Beratungstests (SFBT) können Interessenten herausfinden, wie gut die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu den Anforderungen bestimmter Studienfelder passen.

Die Arbeitsagentur stellt auch die Möglichkeit heraus, einfach bestimmte Studienfelder zu testen. Viele Hochschulen öffnen ihre Lehrveranstaltungen bereits ab der zehnten Klasse beispielsweise speziell für Schülerinnen, um sich in den sogenannten MINT-Fächern auszuprobieren. Die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Dafür laden Unternehmen und Hochschulen jährlich zum „Girls‘Day“ ein, während Jungen beim „Boys‘Day“ Berufe im sozialen und pflegerischen Bereich ausprobieren, in denen bislang wenige Männer arbeiten.

Weiterbildungsexperte Martin Stieger plädiert ebenfalls für eine genaue Analyse der persönlichen Vorstellungen vor der Entscheidung. „Ein Studium hilft bei der beruflichen Entwicklung und kann auch die Persönlichkeit
beeinflussen. Es darf aber kein Zwang sein. Das Studium wird nur erfolgreich sein, wenn man es auch wirklich absolvieren will und einen Sinn
darin sieht“, sagt der Rektor der privaten Allensbach Hochschule. Er weist auf andere Möglichkeiten hin, sich akademisch zu bilden. „Glücklicherweise existieren hinreichend Alternativen zum Erststudium. So kann beispielsweise auch eine Berufsausbildung in den Wunschberuf führen, um dann die Basis für ein berufsbegleitendes Studium als zusätzliche akademische Qualifikation zu bilden. Dann sind die Interessen und Ziele möglicherweise klarer als direkt nach dem Schulabschluss und können genau auf die weiteren beruflichen Pläne abgestimmt werden.“

Web-Tipp: www.arbeitsagentur.de/bildung/studium/welches-studium-passt-zu-mir