Ausbildung statt Studium: „Es hilft der ehrliche Blick auf sich selbst“

Ausbildung statt Studium: „Es hilft der ehrliche Blick auf sich selbst“

Das Studium ist nicht immer der bessere Weg nach der Schule oder verspricht die erfolgreichere Karriere. Es gibt gute Gründe, auch die berufliche Ausbildung einzuschlagen.

Von Theresa Demski

Gelegentlich nehmen sich Betriebsleiter Zeit für ein ernstes Gespräch mitten im Praktikum. Dann sitzen sie jungen Leuten gegenüber, die gerade als Schulpraktikanten erste Luft im Arbeitsalltag geschnuppert haben. Sie fragen nach den Erfahrungen, die die jungen Leute während der Zeit im Betrieb gesammelt haben, und dann kommen sie zielstrebig auf das eine Thema zu: „Das Studium ist nicht immer der beste Weg“, sagen sie dann zu den Schulpraktikanten, für die in nächster Zeit die große Entscheidung über ihre berufliche Zukunft ansteht. Sie machen ihnen Mut, sich für eine berufliche Ausbildung im Betrieb zu bewerben. Und das aus gutem Grund. „Die selbst ausgebildeten Fachkräfte identifizieren sich häufig stärker mit ihrem Unternehmen und sind auch produktiver“, sagt Lisa Bäcker, Ausbildungsberaterin bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Düsseldorf. Auch deswegen werben Betriebsleiter so engagiert um die jungen Leute. Und: „Mit eigenen Azubis können Unternehmen ihrem Fachkräftemangel entgegenwirken“, betont die Fachfrau. So haben junge Leute heute in vielen Branchen die besten Chancen, nach der Ausbildung von ihrem Betrieb übernommen zu werden.

Nicht nur deswegen empfiehlt die IHK jungen Menschen nach dem Schulabschluss, nie nur den einen Weg zu sehen. „Die Entscheidung fällt vielen jungen Menschen nicht leicht. Wir machen grundsätzlich auf unterschiedliche Bildungsmöglichkeiten aufmerksam“, erklärt Ausbildungsberaterin Katrin Kolfhaus, „denn viele Wege führen zum Ziel.“ Welche Argumente in dieser Situation für eine berufliche Ausbildung sprechen? „Sie ist praxisnah und vielfältig, weltweit anerkannt – und sie bringt gute berufliche Perspektiven mit sich, die vielen Jugendlichen kaum bekannt sind“, sagt Lisa Bäcker.

WELCHER TYP BIN ICH?

Der Schlüssel zur richtigen Entscheidung liegt am Ende in den Jugendlichen selbst. „Wir empfehlen hier immer einen ehrlichen Blick auf sich selbst“, sagen die beiden Ausbildungsberaterinnen einvernehmlich. Häufig geht es weniger um die Frage nach dem Ziel, als darum zu klären, welcher Weg dorthin führe. Dann sollten Schüler sich auch Fragen wie diesen stellen: Wie organisiert bin ich? Was für Strukturen brauche ich? „Am Ende ist das auch eine Typ-Sache“, sagt Lisa Bäcker. Vielen Jugendlichen fallen nach der Schule der strukturierte und organisierte Aufbau einer Ausbildung und die Begleitung während der Ausbildung leichter als ein Studium. Und die IHK Beraterinnen erinnern natürlich auch gerne daran: „Azubis verdienen von Ausbildungsbeginn an Geld.“

GUTE GRUNDLAGE FÜR EIN SPÄTERES STUDIUM

Für viele junge Menschen, die eine berufliche Ausbildung abschließen, geht es danach weiter auf der Bildungsleiter. „Die berufliche Ausbildung dient als Grundlage für alles, was danach beruflich möglich ist“, sagt Katrin Kolfhaus. Weiterqualifizierungen oder ein Studium stehen auf dem Plan junger Menschen nach ihrer Berufsausbildung. Dann zeige sich oft, dass Studierende mit einer abgeschlossenen Ausbildung ihr Ziel schon deutlich klarer vor Augen haben. Rund 29 Prozent der Bachelor-Studenten brechen laut des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ihr Studium ab. „Die Abbrecherquote von Studierenden mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ist deutlich geringer“, sagt Katrin Kolfhaus. Natürlich gibt es Berufe, die nur durch ein Studium erreichbar sind. „Wer als Arzt oder Ärztin praktizieren möchte, für den ist ein Medizinstudium unerlässlich“, sagen die IHK-Beraterinnen. Ihr „Aber“ folgt auf dem Fuße: Die meisten Berufe könne man trotzdem auch mit einer dualen Berufsausbildung und entsprechender Weiterbildung erreichen.

AKADEMIKER VERDIENEN NICHT IMMER BESSER

Und wie sieht es anschließend mit dem Geld verdienen aus? Haben junge Leute mit einer abgeschlossenen Ausbildung langfristig schlechtere Verdienstmöglichkeiten? „Das ist ein Vorurteil gegenüber dualer Ausbildung, das sich hartnäckig hält“, sagt Katrin Kolfhaus. Wie viel Geld jemand verdiene, hänge oft nicht nur von dessen Abschluss ab, sondern auch von der Branche, der Unternehmensgröße und dem Ort. „Wenn es nicht gerade um die klassischen Studiengänge wie Medizin oder Jura geht, sind die Verdienstmöglichkeiten nach einer dualen Berufsausbildung oft nicht schlechter als mit einem Studium“, betont auch Lisa Bäcker. Selbst wenn zu Beginn der Berufstätigkeit Unterschiede im Gehalt zu Akademikern bestünden, würden sich diese im Laufe des Berufslebens angleichen. So würden Menschen mit dualer und akademischer Ausbildung über ihre Lebensarbeitszeit hinweg betrachtet etwa gleich viel verdienen. Der Blick aufs Geld sollte also erst einmal niemanden abhalten, sich für eine Berufsausbildung zu entscheiden.