Die Frage nach der beruflichen Zukunft beschäftigt nicht nur Jugendliche vor dem Schulabschluss. Auch die Eltern spielen in dieser Lebensphase als Berater eine wichtige Rolle.

Von Brigitte Bonder

Mit der Berufsorientierung beginnt für Jugendliche ein neuer Lebensabschnitt und die Eltern sind wichtige Ansprechpartner in dieser Zeit. Sie sollten schon frühzeitig mit ihrem Nachwuchs über Talente, Begabungen und Interessen sprechen und dazu anregen, sich Gedanken über mögliche Berufe und Studiengänge zu machen. „Eltern haben immer auch ihre ganz eigene Vorstellung von einer erfolgreichen beruflichen Zukunft“, erklärt Judith Strücker, Geschäftsführerin der Einstieg GmbH, die seit über 25 Jahren Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte auf Messen oder über das Berufswahlportal Einstieg.com mit Berufswahlinformationen versorgt. „Entsprechend prägen sie unter Umständen die Wertevorstellungen ihrer Kinder.“ Das fängt bereits bei der Einstellung zu Ausbildung oder Studium an.

„Viele Eltern sind der Meinung, ein Studium biete die besseren Karrierechancen“, weiß Strücker aus Erfahrung. „Dabei entspricht das nicht immer der Wahrheit.“ Auch bei anstehendem Generationenwechsel in Familienbetrieben oder eigenen unerfüllten Berufswünschen kann es passieren, dass Eltern direkten oder indirekten Einfluss auf ihre Kinder nehmen.

Am Übergang zwischen Schule und Beruf steigt in vielen Familien die Anspannung. Berufsorientierung ist für viele junge Erwachsene stressig und weckt oftmals Ängste, da weitreichende Entscheidungen getroffen werden müssen.

„Umso wichtiger ist es, dass Eltern keinen Druck machen, sondern Anreize geben und Verständnis für diese herausfordernde Situation zeigen“, rät Judith Strücker. „Wer sein Kind motivieren und begeistern möchte, macht deutlich, wie viel Freiheit mit dem Ende der Schulzeit verbunden ist: Endlich zählen die eigenen Wünsche und Bedürfnisse.“

WELCHER BERUF PASST AM BESTEN?

Junge Menschen dürfen aus einer fast unendlichen Auswahl an Möglichkeiten schöpfen und selbst entscheiden, wohin es geht. Genau das ist jedoch oftmals das Problem, denn bei mehr als 300 Ausbildungsberufen und zahlreichen Studiengängen fällt die Wahl schwer. In dieser Situation sind Eltern zwar wichtige Ratgeber. „Allerdings belegen Studien, dass sie nicht unbedingt die hilfreichsten Ansprechpartner sind“, sagt Strücker. „Das sind eher Ausbilder und Azubis, also Menschen, die selbst in dem angestrebten Beruf arbeiten.“ Trotzdem nehmen Eltern eine entscheidende Rolle bei der Berufswahl ein. Sie können ihre Kinder motivieren, Dinge auszuprobieren, Praktika zu machen und Hochschulen oder Ausbildungsbetriebe an Tagen der offenen Tür oder auf Ausbildungsmessen kennenzulernen.

Die Berufswahl ist ein laufender Prozess und fängt schon in Kindergarten oder in der Grundschule an, wenn Talente erkannt und immer wieder Bezüge zur Berufswelt hergestellt werden.

Es ist hilfreich, wenn sich Eltern und Kinder frühzeitig und in spielerischer Art mit der Berufsorientierung beschäftigen. Kinder können lernen, Spaß an neuen Aufgaben und Situationen zu haben und lernen beispielsweise bei Praktika bestimmte Arbeitsalltage kennen. Konkret sollte es dann spätestens zwei Jahre vor dem angestrebten Schulabschluss werden, denn die Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen und Zielen braucht Zeit.

ERSTE PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

Berufsberater raten dazu, spätestens ein Jahr vor Schulabschluss einen konkreten Berufswunsch und einen Plan B zu haben, denn dann beginnt die Bewerbungsphase. Ist dies nicht der Fall, sollten Eltern nicht in Panik geraten oder Druck auf ihren Nachwuchs ausüben. „Sinnvoll ist es, die Zeit für praktische Erfahrungen zu nutzen“, rät Judith Strücker. „Durch verschiedene Praktika zum Beispiel erhalten junge Erwachsene einen tollen Einblick in die Berufswelten, aber auch ein Gap Year kann Jugendliche weiterbringen und zur persönlichen Reifung beitragen.“ Beispiele sind „Work & Travel“ oder ein Einsatz als Au-pair im Ausland, auch ein Freiwilliges Ökologisches oder Soziales Jahr können bei der Berufswahl helfen. „Zudem machen sich diese Optionen gut im Lebenslauf und verschaffen Zeit, den für sich besten Zukunftsplan zu finden“, betont die Expertin. „Und danach ist immer noch genug Zeit, um zu studieren oder eine Ausbildung zu starten.“